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Bis 50 war die Pflicht - Jetzt kommt die Kür

Artikel aus Swiss Engineering Magazin Mai 2022

Gemeinsam haben Architekt Stefan Meyer und Bauingenieur Michael Becker Project-Solution 50 GmbH (PS-50) gegründet, ein Freelancerportal zur Vermittlung von freiberuflichen Bau-Experten, die mehr als 50 Jahre alt sind. Im Interview spricht Michael Becker über das junge Unternehmen und über die Situation der über 50-Jährigen in der Baubranche.

Michael Becker, erklären Sie uns, warum sie PS-50 gegründet haben.

Ich bin selbst selbstständiger Bauingenieur. Mein Geschäftspartner Stefan Meyer ist Architekt und seit langem in der Executive-Search-Branche tätig. Wir beide haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen nur selten bereit sind, Bauingenieure und Architekten fest anzustellen, die mehr als 50 Jahre alt sind. Aber diese erfahrenen Experten sind trotzdem sehr gefragt, wenn es um Projekteinsätze geht. Das steht in einem Widerspruch. Diesen Widerspruch wollen wir auflösen, indem wir Freelancern eine Plattform zur Verfügung stellen und Ihnen von der PS-50 akquirierte Projekte anbieten.

Aber in der Schweiz ist die Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen niedrig. Laut SECO liegt sie seit Anfang der 1990er-Jahre konstant unter dem Durchschnitt aller Altersgruppen.

Wir haben andere Erfahrungen gemacht – je nach Branche, Funktion und Hierarchiestufe. Die Chance für einen Architekten oder Bauingenieur über 50, eine neue Anstellung als Projektleiter oder Bauleiter zu finden, geht gegen null. Die Erwartung an Arbeitnehmer in dem Alter ist: Entweder sind sie in einer Gesamtprojektleiter- oder in einer Linienfunktion, etwa als Abteilungsleiter oder gar CEO. Aber viele wollen gar nicht oder nicht mehr in diese Positionen.

Wie funktioniert PS-50?

Wir bieten Freelancern eine Plattform. Wir haben dafür eine Webseite eingerichtet. Dort können die Freelancer sich registrieren und ein Profil einrichten. Unternehmen, die nach Freelancern suchen, können sich diese Profile ansehen.

Eine Webseite mit Freelancern? Das ist nichts Neues …

Das stimmt. Aber der Service, den wir anbieten ist viel umfassender als marktüblich. Wir akquirieren Projekte, und wir sind Vertragspartner – sowohl der Freelancer als auch der Mandanten, also der Unternehmen, die Freiberufler suchen.

Es beginnt bei unserer Webseite. An der Software haben wir mit einer Kölner IT-Firma monatelang gearbeitet. Und ich denke, es ist ein wirklich gutes Produkt entstanden, das sich stark von anderen Freelancer-Portalen unterscheidet. Die Freelancer stellen ein vollständiges Bewerbungsdossier auf die Plattform, und zwar in Form eines Videos und Profildateien. Unternehmen sehen sich diese Video-Dossiers an, und bei Interesse vereinbaren wir ein gemeinsames Treffen oder ein Online-Meeting. Wenn das positiv verläuft und das Unternehmen sich für den Freelancer entscheidet, schliessen wir mit beiden Parteien Verträge ab. Der Freelancer geht mit PS-50 einen Werk- oder Dienstleistungsvertrag ein und stellt seine Rechnungen an uns. Wir sorgen mit kurzen Zahlungszielen dafür, dass der Freelancer sein Geld möglichst schnell erhält.

Worin liegt für Sie der Vorteil eines Video-Dossiers?

Ein Video ist aussagefähiger als die traditionellen Dossiers in Papierform. Letztere werden in Zukunft an Bedeutung verlieren. Im Bewerbungsprozess geht es immer mehr um den Menschen und um seine Persönlichkeit. Qualifiziert sind heutzutage viele Bewerber auf die ein- oder andere Art und Weise. Was ist das für ein Typ? Passt der ins Team? Das erkennen Sie in einem Video viel eher als aus einem schriftlichen Dossier.

Der Vermittlungsprozess wird durch die Videos schneller und effizienter. So ein Video ersetzt schon fast ein Erstgespräch. Wenn es dann zum persönlichen Treffen mit dem Mandanten und dem Freelancer kommt, geht es in der Regel schon weit in die Projektdetails und um Fragen wie Honorare und Verfügbarkeit. Solche Themen spielen in einem Kennenlerngespräch normalerweise noch eine untergeordnete Rolle.

Was für Freelancer finden sich auf Ihrer Plattform?

In der Hauptsache Bauingenieure, Architekten, Bautechniker und –assistenten. Manche unserer Feelancer kommen aus einer Festanstellung. Andere sind noch fest angestellt, wollen sich aber verändern. Aufgrund ihres Alters könnten sie sich aber nur noch in einer Linienfunktion weiterentwickeln. Und das ist nicht das, was diese Menschen wollen. Sie wollen in Projekten arbeiten, am liebsten direkt auf der Baustelle. Sie wollen das machen, wozu sie Lust haben und was sie gut können. Und oft ist das Ziel auch nicht mehr, das grösstmögliche Einkommen zu erzielen. Es geht bei PS-50 auch um die Freude an der Arbeit. Und das fördern wir: Bis 50 war die Pflicht jetzt kommt die Kür.

Wer sind Ihre Mandanten?

Wir zielen ab auf Baumanagementbüros und Bauunternehmungen, die kurzfristig für ihre Projekte Verstärkung brauchen. Bei Planungsbüros haben wir weniger Ambitionen, weil die in der Regel weniger Positionen zu besetzen haben. Die arbeiten häufig mit Absolventen, die sie sich direkt von den Hochschulen holen und die erst einmal Erfahrung sammeln müssen. Unsere Leute sind dagegen «fertige Leute». Die brauchen keine lange Einarbeitung, die können direkt loslegen. Sicherlich sind sie teurer als ein Studienabgänger. Trotzdem: Wenn ein Unternehmen für sein Projekt über uns auf einen Freelancer zugreift, ist es für ihn in der Regel günstiger, als wenn er einen eigenen Mitarbeiter anstellt.

Wo stehen Sie mit Ihrem jungen Unternehmen heute?

PS-50 ist seit knapp einem halben Jahr auf dem Markt. Wir haben bereits erste Vermittlungserfolge. Wir haben ein gutes Dutzend Freelancer – wirklich gute, erfahrene Frauen und Männer, mit einer guten Bandbreite an Qualifikationen. Die Nachfrage ist stetig vorhanden – gerade bei grösseren Projektmanagementfirmen, die nicht immer alle Projekte mit festangestellten Mitarbeitern besetzen können. Es gibt genügend Projekte auf dem Markt. Und viele Firmen akquirieren so erfolgreich Projekte, dass sie dann nicht genügend eigene Mitarbeiter haben, um diese abzuarbeiten.

Und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Wir wollen nicht so stark wachsen, dass wir dann Dutzende von Angestellten haben. Deshalb wollen wir mit unserem durchdachten Geschäftsmodell ein Franchise-System aufbauen. Mit Partnern, die unser Produkt in eigenen Niederlassungen in der Schweiz oder auch in Deutschland, übernehmen. Mittelfristig können wir uns weitere Länder vorstellen, auch ausserhalb des deutschen Sprachraums.

Wie hat sich die Corona-Krise auf PS-50 ausgewirkt?

Corona hat die gesamte Arbeitswelt verändert. Vieles davon wird bleiben, und das bringt für das Arbeiten als Freelancer eher Vorteile. Früher war Remote-Arbeiten im Bausektor verpönt. Das hat sich glücklicherweise geändert. Firmen, Bauherren und Investoren haben gemerkt, dass vieles auch mit Online-Kommunikation sehr gut funktioniert. Das ist gerade für Freelancer eine positive Entwicklung. Sie können im Homeoffice arbeiten, zu flexiblen Zeiten. Und es ist möglich, mehrere Mandate zu haben, ohne dass es Konflikte gibt. Sie sind freier als früher.

Unabhängig von Corona merken wir, dass das Freelancertum in der Schweiz zunimmt. Auch das negative Image, mit dem Freiberufler teilweise zu kämpfen hatten, ist nicht mehr so präsent. Dazu trägt auch der Fachkräftemangel bei. Wir haben insgesamt eine New-Work-Atmosphäre. Davon profitieren nicht nur die Freelancer, sondern auch der Markt. Denn der erhält diese erfahrenen Arbeitskräfte zurück. Diese Leute waren entweder arbeitssuchend oder unzufrieden in einer Linienfunktion. Jetzt können sie wieder das machen, was sie gerne tun. PS-50 ist stolz, sie dabei zu unterstützen.

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PS-50 Kompetenzen im Detail

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